Norbert Schnorbach

Die Ergebnisse der international größten Kopfschmerzstudie zeigen jetzt, dass schon sechs Wochen Akupunktur helfen können, um die Schmerzen entscheidend zu lindern. Das Problem betrifft einen großen Teil der Bevölkerung: rund zehn Prozent leiden unter Migräne. Bei etwa 20 bis 30 Prozent treten häufige Spannungskopfschmerzen auf. Und 90 Prozent aller Erwachsenen geben an, zumindest gelegentlich unter Kopfschmerzen zu leiden. 3,7 Milliarden Schmerzmitteldosen werden in Deutschland jährlich eingenommen, die meisten wegen starker Kopfschmerzen.

In den vergangenen Monaten haben über 200 Ärzte nun die Wirkung von Akupunktur bei Kopfschmerzen untersucht und wissenschaftlich dokumentiert in der so genannten „Gerac-Studie“ (german acupuncture trials). Sie haben über 10.000 Akupunkturbehandlungen gegen Kopfschmerzen durchgeführt. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass die langfristige Wirkung einer sechswöchigen Akupunktur mindestens genauso gut wirkt wie eine kontinuierliche sechsmonatige Migränebehandlung mit teils starken Medikamenten.

Die Einnahme von Schmerzmitteln ist allerdings nicht frei von zum Teil schweren Nebenwirkungen. Bis zu 40 Prozent der chronisch auftretenden Kopfschmerzen, so vermutet man, wird durch die Schmerz- oder Migränemittel selbst ausgelöst, wenn sie häufig und mit steigender Dosierung genommen werden. Außerdem kann die medikamentöse Therapie von möglichen Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Gewichtszunahme begleitet sein.

Um nun die Wirksamkeit und Sicherheit der Akupunktur zu erforschen, wurden die umfangreichen Gerac-Studien durchgeführt. Die Studien sind die größten und methodisch strengsten Akupunkturstudien, die zu Kopfschmerz in der westlichen Welt jemals durchgeführt worden sind. „Sie liefern jetzt Daten von bisher nicht gekannter Qualität,“ sagte der Sprecher des Leitungsgremiums der Studie, Prof. Hans Joachim Trampisch von der Ruhr-Universität Bochum.

Mehr als 1.300 Patienten mit Migräne und chronischen Kopfschmerzen nahmen an der Studie teil. Eine Gruppe wurde korrekt nach den Regeln der chinesischen Akupunktur behandelt. Ein anderer Teil erhielt eine vorgetäuschte Schein-Akupunktur, indem man zwar Nadeln benutzte, aber nicht an den richtigen Akupunkturpunkten. Der dritte Teil der Patienten erhielt die üblichen Standard-Medikamente gegen Migräne- und Spannungskopfschmerz.

Die Ergebnisse sind ermutigend: „Bei Spannungskopfschmerzen sank die Zahl der Kopfschmerztage von 16 auf 6 Tage mit der chinesischen Akupunktur und von 16 auf 8 Tage mit der Akupunktur an nicht chinesischen Punkten“, berichtete Privatdozent Dr. Molsberger vom Leitungsgremium der Gerac-Studien. Mit Medikamenten mit lasse sich eine Senkung der Kopfschmerztage von 16 auf durchschnittlich 11 bis 15 Tage erreichen. Auch bei Migräne war die Akupunkturbehandlung erfolgreicher als die Medikamententherapie.

Damit hat die chinesische Akupunktur sich klar und unzweifelhaft als die wirksamste Behandlungsmethode herausgestellt. Oder in der Sprache der Fachleute: „Die Akupunktur stellt beim chronischen Kopfschmerz im Vergleich zu einer medikamentösen Therapie eine effektive und risikoarme Ergänzung des therapeutischen Konzepts dar.“ Die Deutsche Akupunktur-Gesellschaft zog das Fazit: „An diesen Ergebnissen erkennen schulmedizinisch orientierte Schmerztherapeuten, wie wirksam Akupunktur in seiner Langzeitwirkung auch noch nach 6 Monaten sein kann und warum akupunktierte Patienten von dieser Methode so begeistert sind.“

Erstaunlich ist aber auch das Ergebnis der Schein-Akupunktur. Nach Ansicht von Experten stiftet das Vortäuschen von Akupunktur in Form einer Schein-Akupunktur viel Verwirrung. Man könne den Patienten Akupunktur nicht vortäuschen, genauso wenig wie chirurgische Operationen, Psychotherapie oder Massage. Die positive Erwartungshaltung der Patienten und die besondere ärztliche Zuwendung mag in diesem Fall ausschlaggebend sein.

Vergleichbare Ergebnisse lieferte im vergangenen Jahr auch der erste Teil der Gerac-Studie zur Behandlung von Rücken- und Knieschmerzen. Das Ergebnis der Studien soll nun einfließen in die Auswertung der Modellprojekte zur Akupunktur, die vor fünf Jahren starteten. Dabei geht es darum, ob Akupunktur als normale Leistung aller gesetzlichen Krankenkassen anerkannt wird. Bis dahin erhalten nur diejenigen Patienten die Kosten erstattet, deren Krankenkasse (wie die SECURVITA) sich an den Modellprojekten beteiligt.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) soll nun in nächster Zeit über die Zukunft der Akupunktur entscheiden. Dieser mächtige Ausschuss hat im Auftrag des Gesetzgebers darüber zu entscheiden, was Kassenleistung ist und was nicht. Die Vertreter von Ärzte- und Krankenkassenverbänden haben im GBA das Sagen. Patientenvertreter haben nur beratende Funktion, aber keine Stimme bei den Entscheidungen. Man kann nur hoffen, dass der Ausschuss eine vernünftige Entscheidung trifft. SECURVITA hat schon seit Jahren mit allen Kräften dafür eingesetzt, das die Akupunktur anerkannt wird.

Qualitätssiegel für Akupunkteure

Mehrere Fachverbände haben die Kampagne „Qualitätsinitiative Akupunktur“ gestartet. Sie setzen sich für ein bundesweites Qualitätssiegel für Akupunkteure ein. Es wird nur an Ärzte verliehen, die über eine hochwertige Ausbildung und Erfahrung verfügen. Damit werde den Ärzten „die Möglichkeit geboten, ihre Kompetenz nach außen sichtbar zu machen und so zur Transparenz für Patienten beizutragen.“

Qualifizierte Ärzte könnten mit dem Siegel signalisieren, dass ihre Akupunktur mehr ist als nur einfaches „Nadelsetzen am Fließband“. Den Patienten zeige es an, dass sie sich in erfahrene und kompetente Hände begeben, so die Initiative. Da mittlerweile 30.000 bis 40.000 Ärzte in Deutschland Akupunktur praktizieren, sei es gerade für die Patienten wichtig, dass sie die Qualität einer Behandlung einschätzen können.

Weitere Informationen zum Qualitätssiegel im Internet unter www.akupunktur-qualitaet.info. Adressen von Akupunkteuren bieten www.akupunktur-aktuell.de , www.agtcm.de und www.daegfa.de.

Wünschenswerte Versorgung Über die Zukunft der Akupunktur in Deutschland wird derzeit kontrovers diskutiert. Klar ist, dass nach den erfolgreichen Modellstudien eine Einführung in die medizinische Versorgung der Bevölkerung wünschenswert ist. Fraglich ist nach wie vor, welche Vergütungsmodelle in Frage kommen könnten.

Die Einführung der Akupunktur als „Regelleistung“ auf Krankenschein würde die Anwendung der Akupunktur nur noch als reduzierte Rezeptakupunktur am Fließband möglich machen. Die Anwendung einer Qualitätsakupunktur würde so verhindert werden. Wir treten für die Einführung der Akupunktur in die allgemeine medizinische Versorgung ein. Die in den vergangenen zehn Jahren gemachten Erfahrungen mit der Bezuschussung der Akupunktur durch die gesetzlichen Krankenkassen und der Übernahme eines Eigenanteils durch den Patienten stellt sich auch nach den guten Erfahrungen bei den Modellvorhaben als die optimale Möglichkeit für die Zukunft dar.

Dr. Gabriel Stux, Vorsitzender der Deutschen Akupunktur Gesellschaft