von Gabriel Stux

Die Gerac – Migräne Publikation im Lancet vom März hat den Titel: „Efficacy of acupuncture for the prophylaxis of migraine: a multicentre randomised controlled clinical trial” Die Akupunkturtherapie der Migräne betrachtet man allgemein nicht als Prophylaxe bei Migräne, wie die prophylaktische Gabe von Betablockern, die als Kontrollgruppen in der Gerac Studie mitliefen.

Bei Migräne und Kopfschmerzen liegt nach pathogenetischer Vorstellung der Chinesischen Medizin eine Stagnation des Flusses der Lebensenergie in den Yang Meridianen des Kopfes vor. Mit Hilfe der Nadelung von Akupunkturpunkten kann man die Störung im Fließen der Lebenskräfte dauerhaft auflösen.

Im ersten Schritt analysiert man anhand der Symptomatik die Art des Störungsmusters, sowohl auf der oberflächlichen, als auch auf der tiefen, inneren Ebene. Aufbauend auf der daraus folgenden Chinesischen Diagnose löst man die Störungsmuster meist dauerhaft auf. Dies erfordert ein therapeutisches Setting und nicht nur ein Stechen von spezifischen Punkten. Zahlreiche therapeutische Modalitäten sind neben dem spezifischen Setzen der Nadeln notwendig, um die Störungsmuster dauerhaft zu beseitigen. Akupunktur ist nicht vergleichbar mit der Gabe von einem Medikament, also nicht mit der „Gabe“ von 10-20 Nadeln vergleichbar. Diese Reduktion auf westliche Anwendung der Akupunktur wird zwar nach dem Muster Di.4, Le.3 … ist ein gut wirksames Rezept, sehr oft praktiziert. Dies ist aber keine Chinesische Akupunktur. Bei der Akupunkturtherapie spricht man von einer Heilkunde und nicht von Medizin, weil die Ursache die Blockade der Lebenskräfte ursächlich aufgelöst wird. So sind die Erfolge der Akupunktur nachhaltig, sehr oft haben die Patienten dauerhaft keine Migräneanfälle mehr. Man kann hier also von Heilung sprechen. Die jetzt abgeschlossenen Studien ART und Gerac haben leider die Langzeiterfolge der Akupunktur nicht untersucht. Ein Versäumnis was durch das westliche Denken der Studienleitung zu erklären ist. Bedauerlicherweise kann man so wenig über die Langzeitwirkungen der Akupunktur aussagen. Neben der Spezifität der gesetzten Punkte sind weitere wichtige Faktoren und therapeutische Modalitäten an der Wirksamkeit der Akupunktur beteiligt. Diese Faktoren sind bisher, wie auch bei anderen komplexen therapeutischen Interventionen wenig untersucht. Die hohe Anzahl von Variablen macht eine klinische Untersuchung sehr aufwendig. Die Akupunktur nach allen Regeln der Kunst verläuft schrittweise und beinhaltet weitere Faktoren und therapeutische Modalitäten, die hier aufgeführt sind:

Bei der Chinesischen Akupunktur analysiert und beurteilt man im ersten Schritt also beim Stellen einer Chinesischen Diagnose die Lebenskräfte des Patienten und deren Störungen. Die Chinesische Diagnose ist immer ein integraler Teil der Therapie, im Gegensatz zum Diagnoseverständnis in der westlichen Medizin wo sie von der Therapie deutlich getrennt wird.

Aus der Chinesischen Diagnose folgt die therapeutische Absicht, die Therapiestrategie in Form eines differenzierten Therapieplans, der neben der Auswahl optimaler Punktekombinationen auch Heilkräuter, Qi Gong und Tuina (chinesische Massagen) einschließen kann. Die Intentionalität der Therapie ist für die nachhaltige Wirksamkeit von entscheidendem Wert. Die Art und Weise der Nadelung und der Stimulation der Nadeln, tonisieren oder sedierend, mit deutlich provoziertem Nadelgefühl, dem De Qi, wird von Experten als essentieller Bestandteil einer wirkungsvollen Akupunktur angesehen. Wesentlich ist auch, dass der Patient nach dem Setzen der Nadeln, also während der Liegezeit, sich entspannt, und mit seinen Empfindungen nach innen geht. Der Fokus der Aufmerksamkeit sollte von der Außenwelt nach Innen zu seinen Gefühlen und inneren Empfindungen gerichtet sein. Dies setzt ruhige Räume voraus, offene Kabinen sind unangebracht. Auch die Länge der Liegezeit von 20 – 30 Minuten ist entscheidend für die Wirksamkeit der Therapie. Die ausreichende Anzahl von Sitzungen sowie eine adäquate Behandlungshäufigkeit meistvon 2 Sitzungen in der Woche, die von der Schwere und Chronizität der Erkrankung und der Art des Störungsmusters abhängt, ist wesentlich für die Nachhaltigkeit der Wirksamkeit. Auch die individuelle Reaktionsfähigkeit des Patienten, die vom Konstitutionstyp abhängt, ist essentiell für die therapeutische Wirksamkeit. Patienten, die sich leicht entspannen können oder gute Fähigkeiten zur Introversion zeigen, brauchen z. B. deutlich weniger Sitzungen für eine nachhaltige Therapiewirkung. Jetzt vor dem Abschluß der Modellvorhaben und ART- und Gerac-Studien zeigt sich, das es nicht allein auf eine optimale Punktekombination ankommt, sondern auch auf viele andere Therapiemodalitäten.

Aus diesem Grunde ist es bei komplexen Therapiemethoden wie Akupunktur, Psychotherapie oder physikalischer Therapie so schwierig in den Studien, eine Kontrolltherapie vorzutäuschen, also z. B. Sham Akupunktur anzuwenden. Deshalb spricht die ART – Studienleitung jetzt von Minimalakupunktur und nicht mehr von Sham.